Bruce Holbert
Einsame Tiere
Ein Mann geht auf die Jagd. Russel Strawl, ein ausgemusterter Sheriff, soll einen Mörder finden, der in einem Reservat seine Opfer wie eine Kunstinstallation präsentiert, blutig und bizarr.
Geruch des Schuldigen
Auf Gewalt lebenslang trainiert, löst Strawl ebenso große Furcht aus wie der Ritualmörder selbst, und er kennt jeden Winkel im Grenzgebiet zwischen Kanada und dem Staat Washington, dem Okanogan County, dessen großen Fluss Roosevelts New Deal mit einem Staudamm gezähmt hat.
"Strawl konnte einen Schuldigen riechen – vielleicht, weil ihm der Geruch vertraut war. Er konnte vorhersagen, welche Anhöhe der Gesuchte wohl zum Rückzug wählen würde, denn er hätte sicher dieselbe genommen. Im Gesicht eines Menschen konnte er den Samen der Tat erkennen, bevor der es vielleicht selbst wusste."
Mythos des Westens
Ein Veteran ohne Angst, dem das Töten nicht fremd ist, bewegt sich noch einmal zu Pferde durch ein Gebiet, wo bei aller grandiosen Schönheit seinen Bewohnern kaum ein Überleben möglich ist. Der Mythos des Westens trifft auf die Depression zu Beginn der dreißiger Jahre, ein misslauniger und durchaus grausamer Gesetzeshüter auf seltsame Einzelgänger und Indianergruppen, für die das Land der unbegrenzten Möglichkeiten auf allerengste Grenzen eingeschrumpft ist:
"Alkohol und Kirchenglocken spielten sich in die Hände. Man leerte den Männern freitags und samstags die Taschen und erklärte dies am Sonntag zu deren eigenen Sünden…die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte war die Tatsache, dass nicht das Trinken die meisten Männer zu Trinkern machte; es war das Loch in ihnen, in das sie den Alkohol schütteten, und dieses Loch leerte sich fast so schnell, wie es gefüllt wurde."
Respekt vor der Natur
Bruce Holberts Blick auf die Verhältnisse im dünn besiedelten Okanogan County mit seiner unzulänglichen Moral umfasst die Schönheit der Landschaft ebenso genau wie die Härte und Hoffnungslosigkeit der Menschen. Dennoch sind Russel Strawls Begegnungen auf lakonische Weise von der Ahnung einer tiefer liegenden, viel älteren Ordnung geprägt, vom Respekt zumindest vor der Natur. Sein Adoptivsohn Elijah, bewandert in allen Bibelsprüchen, wird zu seinem Begleiter, eine Trickster-Figur, deren Ziel nicht leicht zu entschlüsseln ist. "Elijah und er waren in ihren Möglichkeiten verwandt, aber nicht in ihrem Ziel, denn Strawl hatte keins. Was sie gemein hatten, war das Blutvergießen." Und auf diesem Gebiet kommen sie einander näher.
Indianische Wurzeln
Das Ziel des Autors jedoch ist es vor allem zu erzählen, wie die Dinge damals funktionierten, wie etwa sein eigener Urgroßvater, einer dieser frühen Siedler mit indianischen Wurzeln, dazu kam, seinen Schwiegersohn zu erschießen. Auf diesem autobiografischen Hintergrund wirft er die Frage auf, warum ein Mann für immer der Gewalt anheim fällt und dennoch überlebt, im Dienst einer Ordnung, die mehr zerstört als ordnet.
Archaische Wucht
Bruce Holbert ist zutiefst davon überzeugt, dass dem Mythos des Westens das moralische Zentrum fehlt und immer fehlte, getreu der Prophezeiung des ersten Präsidenten Roosevelt: Er wünschte den Ranchern das gleiche Schicksal, das sie den Jägern und Ureinwohnern zugefügt hatten, nämlich vom Land zu verschwinden. Deshalb erzählt er die Geschichte einer Jagd, die zugleich Flucht vor sich selbst und der Wahrheit ist, mit archaischer Wucht, in anschaulicher und hoch poetischer Sprache und im Wissen, dass Geschichte immer auch eigene Vorgeschichte ist.
(Lore Kleinert)
Bruce Holbert *1959 im US-Bundesstaat Washington, amerikanischer Schriftsteller
Bruce Holbert "Einsame Tiere"
Kriminalroman, aus dem Amerikanischen übersetzt von Peter Torberg
Liebeskind 2014, 320 Seiten, 19,80 Euro
eBook 14,99 Euro