Andreas Föhr
Eisenberg
Rechtsanwältin Rachel Eisenberg ist unkonventionell, zäh und hat gute Freunde. Auf Strafrecht ist sie spezialisiert, und ihr mit einer sehr jungen Frau lebender Ehemann Sascha ist Sozius in der florierenden Kanzlei mit zwanzig Mitarbeitern.
Den Halt verloren
Ihr neuer Fall scheint zuerst wenig verlockend: Ein Obdachloser wird verdächtigt, eine junge Frau erstochen und ihr die Hände abgehackt zu haben. Als er sich aber als früherer Freund Heiko Gerlach entpuppt, Professor für theoretische Physik, der nach der Trennung von seiner Frau jeden Halt verlor, setzt Rachel alles daran, Ungereimtheiten der Anklage aufzudecken.
"Es würde ein undankbarer Fall werden, bei dem die Staatsanwaltschaft alle Trümpfe in der Hand hielt – wenn sie die Zeichen richtig deutete. Aber das Unvernünftige hatte ja seinen eigenen Reiz … Die Polizei ist nur halb so dumm, wie man landläufig glaubt. Die haben was in der Hand."
Münchens Juristenszene
Videoaufnahmen, Zeugenaussagen, eine DNA-Spur und schließlich ein Geständnis des Angeklagten – ein harter Brocken für Rachel Eisenberg. Andreas Föhr lässt die Leser mit seiner neuen Hauptfigur, einem gewitzten Gegenmodell zum depressiven Ermittlertyp skandinavischer Krimis, die Juristenszene Münchens erkunden, und Rachels Probleme mit ihrer 13jährigen Tochter Sarah und dem Exmann sind auch nicht ohne – beides ist bestens recherchiert und mit Scharfblick und Humor geschildert. Dass der Autor als Jurist tätig war und viele Drehbücher schrieb, kommt auch seinem neuen Roman zugute. Die Szenen sind anschaulich und gut aufgebaut, das Personal aus der Juristen-, Obdachlosen- und Polizeiszene glaubwürdig und schräg zugleich, und Rachel hat sich als Verteidigerin einige besonders merkwürdige Vögel gewogen gemacht.
Um jeden Preis
Und es wird brandgefährlich, als sie selbst in den Focus von Verbrechern gerät, die ihre Spuren um jeden Preis verwischen wollen.
"Hätte der Baum fünf Meter weiter links oder rechts gestanden, wäre von den Insassen trotz Airbag nicht viel übrig geblieben. So waren sie mit Prellungen, Gehirnerschütterung und einem diffusen Schleudertrauma davongekommen."
Die Spurensuche im Obdachlosenmilieu sorgt für überraschende Wendungen, die korrupte Dorfpolizisten mit der Blutrache in Albanien in Verbindung bringen, doch Föhrs weit ausgreifender Plot wird bei gelegentlicher Verzettelung immer wieder auf den Kern des Falles zurückgeführt, der zugleich ein Geheimnis verbirgt: die Verbindung seiner höchst lebendigen Heldin mit ihrem seltsamen Schützling. Willkommen im Krimikosmos, Frau Eisenberg!
(Lore Kleinert)
Andreas Föhr *1958 im Allgäu, Jurist, Drehbuch- und Krimiautor, lebt in Bayern
Andreas Föhr "Eisenberg"
Kriminalroman, Knaur 2016, 512 Seiten, 14,99 Euro
eBook 12,99 Euro, Audio-CD 16,99 Euro