Denise Mina
Blut Salz Wasser
Ein brutaler Mord gleich zu Beginn: Iain Fraser erschlägt eine Frau und wundert sich, dass sie sich in den zwei Tagen, an denen sie festgehalten wurde, nicht wehrte. Erst ganz am Ende, bevor er sie am Golfklub des kleinen, feinen Touristenorts Helensburgh im See versenkt, erkannte sie, was auf sie zukam, und Iain fängt ihren letzten Atemzug auf und hört den Namen seiner Mutter.
Unverbesserlicher Gangster
Warum sie so folgsam war, wird sich erst ganz am Ende des Romans herausstellen, und sie wird nicht die einzige Tote bleiben. Detective Inspector Morrow wird dem todkranken Auftragsmörder Iain Fraser begegnen, einem Mann, der immer der Schläger für wichtigere Männer in der Verbrechenshierarchie Schottlands war, aber mit diesem Mord, der seine Schulden begleichen soll, nicht klarkommt. Und mit Alex Morrow auch nicht.
"Da sah sie ihn direkt an, und sie lächelte, aber sie war wütend. Sie sagte: Nein Mr. Fraser, ich weiß genau, zu wem ich gehöre. Und ich weiß, wer ich bin: Ich bin die Person, die die Wahrheit sagt, auch wenn sie mir nicht gefällt. Auch wenn sie mir wehtut."
DI Morrow, die ihren eigenen Bruder Danny ins Gefängnis brachte, weil er ein unverbesserlicher Gangster ist, hat ein Gespür für das Ungesagte, das meist die beste Spur zur Wahrheit eines Verbrechens weist. Die schottische Schriftstellerin Denise Mina verknotet die Suche nach der verschwundenen Roxanna Fuentecilla, die der Wäsche ecuadorianischen Drogengelds im großen Stil verdächtigt wird, mit einer Vielzahl weiterer Handlungsstränge: Die Leiche der ermordeten Frau taucht unverhofft auf, ein Restaurant wird abgefackelt, eine Frau aus einer alten Helensburgher Familie taucht auf, die behauptet, früher, bevor sie vor zwanzig Jahren in die USA ging, mal Pfadfinderin gewesen zu sein und einige Männer aus dieser Zeit zu kennen: Iain zum Beispiel und seinen Cousin Boyd aus dem anderen Zweig der Fraser-Familie, der ein modisches Biorestaurant aufgebaut hat.
Knapp und präzise
Wie sie diese Fäden verknüpft und die verschiedenen Geschichten in der Balance hält, ist atemberaubend souverän und entwirft ein Bild der schottischen Provinz bei Glasgow von farbenfroher Tiefenschärfe, knapp und präzise gezeichnet und von Zoe Beck glänzend übersetzt.
Andrew Cole etwa, der die Leiche am See findet, entpuppt sich als nicht so putzig und harmlos, wie er aussieht:
"Er lebte in einer seltsamen kleinen eigenen Welt, einer reizvollen Welt, unwiderstehlich, weil sie so schrill war, als würde man in eine bizarre ausländische Seifenoper stolpern."
Boyd Fraser muss nach einem Koks- und Sex-Exzess mit Susan Grierson, der vorgeblichen Ex-Pfadfinderin und Rückkehrerin aus den USA an die Familienfotos auf seinem Speicher denken:
"Generationen von Kindern und Tanten, die lächelten, während Väter im Hintergrund Zeitung lasen, Väter in der Ferne rauchten, Väter abseits standen. Er war wie diese Fraser-Väter. Unaufmerksam. Unzufrieden. Unnahbar."
Untergründige Spannung
Mit wenigen Sätzen gelingt es der Autorin, Licht in die armseligen Existenzen der Menschen zu werfen, deren Wege sich kreuzen, die Rückkehrer in die Provinz ebenso wie die, die nie fortkamen. Die Debatte um die schottische Unabhängigkeit sorgt zudem für untergründige Spannung, eine Atmosphäre von Paranoia und Misstrauen selbst in den Reihen der Polizeitruppe. Auch hier liegt vielen wenig daran, die verschwundene Frau aufzufinden oder die Morde aufzuklären, sondern alles dreht sich um die Frage, ob der Löwenanteil des Drogengeldes an die Met in London oder die schottische Polizei fällt – alles außer Alex Morrow, der aufrechten Ermittlerin mit dem kriminellen Bruder.
Voller Mitgefühl
Finanzielle Gier erscheint als Triebkraft dieser Verbrechen in und um Glasgow, und Morrow betrachtet Kriminalität nicht als Ausnahme, sondern als Teil der Regel. "Niemand in der Truppe sprach es je aus, aber alle wussten, dass die Schattenwirtschaft unentbehrlich war. Männer wie Danny waren weltweit für zwanzig Prozent der Bruttoinlandsprodukte verantwortlich. Wenn man das Recht durchsetzte und sie alle ins Gefängnis steckte, würde die Weltwirtschaft zusammenbrechen."
Die aufrechte Kommissarin ist da anderer Meinung, und ihre Schöpferin Denise Mina spielt gekonnt mit der Differenz von Gesetz und Gerechtigkeit. Ihr Roman ist nicht nur spannend und glänzend komponiert, sondern lebt auch vom Wert, Menschen illusionslos und zugleich mit Mitgefühl betrachten zu können.
(Lore Kleinert)
Denise Mina, *1966, schottische Autorin, lebt in Glasgow
Denise Mina "Blut Salz Wasser" "Blood Salt Water" übersetzt von Zoe Beck
Kriminalroman, Ariadne im Argument Verlag 2018, 320 Seiten, 19 Euro
eBook 13,99 Euro
Weitere Buchtipps zu Denise Mina
"Götter und Tiere"
"Die tote Stunde"