Mark Billingham
Love like Blood
"Ich brauche Ihre Hilfe." Detective Inspector Nicola Tanner will die Mörder ihrer Partnerin, der Lehrerin Susan, zur Strecke bringen. Sie ist überzeugt, das eigentliche Ziel des Anschlags gewesen zu sein, denn sie hält einige unaufgeklärte Ehrenmorde für Auftragsmorde.
Im Stich gelassen
Detective Inspector Tom Thorne willigt ein, und als ein junges Paar verschwindet und die Frau schließlich ermordet aufgefunden wird, mischt er die diversen Communities asiatischer Einwanderer, Sikhs, Hindus und Moslems gleichermaßen, auf seine gewohnt unkonventionelle Weise auf. Sie alle reagieren mit Empörung, sind es doch ihre Mitglieder, die sich von Rechtsradikalen angegriffen und von den Politikern im Stich gelassen fühlen.
"Wir sagen ihnen, dass sie nicht genug dafür tun, diese Angriffe auf unsere Gemeinden zu verhindern oder die Täter zu verfolgen. Diese Hassverbrechen. Oh, es tut ihnen sehr leid, dass solche Dinge passieren, es tut ihnen leid, dass die Menschen Angst haben und wütend sind. Nie tut es ihnen leid, dass sie diese Taten in vieler Hinsicht zulassen."
Enge Regeln
Dennoch ist klar, dass die Collegestudentin Amaya Shah nicht von ihrem Freund Kamal getötet wurde, und Mark Billingham lässt die beiden Mörder, einen Iren und einen Pakistani selbst zu Wort kommen und folgt ihnen, während sie weiter 'Aufträge' erledigen oder auf den nächsten Coup warten. Wer aber lenkt sie? Die Polizistin Nicola Tanner ist ins Fadenkreuz ihrer Aufmerksamkeit geraten, und während ihre Kollegen die Machtstrukturen und Probleme in den Gemeinden näher kennenlernen, steigt die Spannung, wann der nächste Anschlag passieren wird und wem er gilt. Gekonnt baut Billingham als zusätzlichen Handlungsstrang das Tagebuch einer jungen Frau ein, die die engen Regeln von Vater und Bruder immer weniger erträgt:
"Wenn Du jetzt denkst, dass ich wütend klinge, dann ist das, weil ich wütend bin. Ich bin fast zwanzig, verdammt noch mal. Ich arbeite, ich zahle Steuern und ich übernehme TROTZDEM meinen Anteil an der Hausarbeit. MEHR als meinen Anteil. Wenn Du dich unwohl oder angegriffen fühlst, wenn ich ein bestimmtes Top anziehe oder mit Leuten ausgehe, die Dir nicht passen, dann ist das Dein Problem, nicht meins."
Tribut an die Tradition
Ein heikles Thema, denn niemand in den religiösen und kulturellen Gemeinschaften ist bereit, möglichen Auftragsmord durch Familienmitglieder ernst zu nehmen, und die arrangierten Ehen und die in ihrem Leben, ihrer Autonomie eingeschränkten Mädchen und Frauen werden noch immer als Tribut an die Tradition verharmlost.
In seinem Nachwort verweist der Autor auf Erhebungen, nach denen allein im Vereinigten Königreich pro Jahr von circa 20.000 Gewaltverbrechen aus gekränkter Ehre ausgegangen werden muss. Begriffe wie Respekt und Ehre werden in diesem intelligenten und zeitgemäßen Kriminalroman von allen Seiten betrachtet, und die Minenfelder der 'political correctness', auf denen sich auch die Polizeibeamten bewegen müssen, sind nicht nur für eine Großstadt wie London höchst aktuell.
Billinghams Plot bietet unerwartete Wendungen, glaubwürdige Personen und Hochspannung, Peter Torbergs Übersetzung ist gewohnt großartig, und dem vorangestellten Motto des Buchs aus William Shakespeares 'König Heinrich IV' ist nichts hinzuzufügen:
"Was ist Ehre? Ein Wort. Was steckt in dem Wort Ehre? Was ist diese Ehre? Luft."
(Lore Kleinert)
Mark Billingham, *1961 in Solihull/Birmingham, englischer Schauspieler, Stand-Up-Comedian im englischen Fernsehen und Autor von Kriminalromanen, lebt in London
Mark Billingham "Love like Blood"
Aus dem Englischen übersetzt von Peter Torberg
Roman, Atrium Verlag Zürich 2017, 432 Seiten, 20 Euro
Taschenbuch 9,99 Euro, eBook 8,49 Euro
Weiterer Buchtipp zu Mark Billingham
"Was dich nicht umbringt"