Kai Kupferschmidt
Blau – wie die Schönheit in die Welt kommt
"Im Mittelalter wurde der Farbstoff Ultramarin mit Gold aufgewogen. Pablo Picasso hatte seine blaue Periode und der Maler Henri Matisse war von einem blauen Schmetterling fasziniert."
Farbe der Unendlichkeit
Der französische Künstler Yves Klein malte Bilder in monochromem Ultramarinblau, das er sich sogar patentieren ließ. Aber Blau ist nicht nur eine Farbe, sondern auch eine Sehnsucht: Nach der blauen Blume als Symbol der Romantik, nach der berühmten blauen Mauritius, die zu den teuersten Briefmarken der Welt gehört, nach dem endlosen blauen Meer, auf dem der Autor in der Ägäis unterwegs war, über sich den strahlend blauen Himmel:
"Ich schien zwischen diesen beiden Sphären unendlichen Blaus zu schweben. Es war ein erhabener Moment."
Wegen eines azurblauen Steins, den er während eines Italienurlaubs von seinem Taschengeld kaufte, war er schon als Kind der Farbe Blau verfallen – und hat für dieses Buch als Wissenschaftsjournalist jahrelang recherchiert.
Die blaue Blume
Blau ist eine eher kühle Farbe und dient vielen Metaphern - der Blaupause, dem Blaumachen, dem blauen Montag, dem blauen Blut, dem blauen Planeten. Wir werden grün und blau geschlagen, doch "Frühling lässt sein blaues Band …" Kupferschmidt sieht auch da genau hin:
"Blau ist besonders widersprüchlich: Wer einen Blaumann anhat, ist Arbeiter, wer blaumacht, tut alles außer arbeiten. Eine Blaupause ist ein Plan. Ohne Plan lebt der Mensch ins Blaue hinein. Ahnt jemand nichts Böses, ist er blauäugig, hat er ein blaues Auge, ist er an jemand geraten, der ihm Böses wollte. … Blaukraut ist rot, Blaufüchse sind grau und Blautannen sind grün – und außerdem Fichten."
Blau ist Physik, Chemie und Biologie zugleich. Und ein ewiger Gegenstand der Forschung. Denn warum z.B. gibt es in der Pflanzenwelt so wenig Blau? Also macht sich der Autor auf die Suche nach der blauen Blume und findet sie u.a. in Japan, wo die blaue Rose im Labor gezüchtet wurde – die dann doch nicht besonders blau war.
Komplexe Welten
Um blau überhaupt sehen zu können, brauchen wir einen bestimmten Stoff im Blauzapfen unserer Netzhaut – Retinal: "Diesem Pflanzenmolekül verdanken wir, Farben überhaupt wahrnehmen zu können." Kupferschmidt lockt uns immer wieder ins Blaue, lenkt den Blick nicht nur auf Himmel und Meer, sondern auch auf höhere Ebenen: "Berge in der Ferne erscheinen blau, weil die Luftschichten zwischen uns und den Bergen blaues Licht streuen." Und in den komplexen Welten von Pflanzen, Tieren, Steinen findet er viele Erklärungen für eine Farbe, die manchmal nur eine optische Täuschung ist, oft allein durch Lichtbrechung entsteht, im Tierreich als Tarnung und Warnung, aber auch als sexuelles Lockmittel dient.
Blau ist faszinierend, mystisch, Farbe der Weite und Freiheit und gibt Forschern immer wieder Rätsel auf.
Himmelblaue Papageien
Kupferschmidt hat ein spannendes und faktenreiches Sachbuch geschrieben, das immer auch von persönlichen Erfahrungen erzählt. Er ist rund um die Welt gereist, seine Spurensuche beginnt bei den Pharaonen, die vom "blauen Stein" Lapislazuli so begeistert waren, dass sie daraus mühselig Pigmente machten, und endet bei Züchtern, die Blau in ihrer Einmaligkeit erhalten wollen: Eine himmelblaue Papageienart aus Brasilien ist in freier Natur längst ausgestorben. In Rüdersdorf in Brandenburg werden diese Spix-Aras vom Verein zur Erhaltung bedrohter Papageien gezüchtet.
(Christiane Schwalbe)
Kai Kupferschmidt, *1982 in Bonn, Molekularbiomediziner und Wissenschaftsautor, lebt in Berlin
Kai Kupferschmidt "Blau – wie die Schönheit in die Welt kommt"
Hoffmann und Campe, 235 Seiten, 26 Euro
eBook 20,99 Euro