Stella Schaller, Lino Zeddies, Ute Scheub, Sebastian Vollmar
Zukunftsbilder 2045
Eine Reise in die Welt von morgen
2023 – weltweit ein Jahr bedrohlicher Extremwetterlagen: außergewöhnlich hohe Temperaturen, Dürre, Waldbrände, aufgeheizte Meere, Gletscherschmelze, Wirbelstürme, Starkregen, Erdbeben und Überschwemmungen.
Natürliche Kreisläufe
Meteorologen warnen vor den Kipppunkten des Klimas, die schon 2030 erreicht sein könnten, wenn nicht endlich grundlegend umgesteuert wird. Steht uns also eine apokalyptische Zukunft bevor, in der vor allem die Städte unbewohnbar werden? Nicht unbedingt, denn es gibt längst Initiativen und Modellprojekte, die eine Transformation ansteuern – in eine Zukunft, die sozial, ökologisch und ökonomisch auf Nachhaltigkeit und Regeneration setzt, d.h. erneuerbare und natürliche Kreisläufe in Gang setzt. Die AutorInnen der „Zukunftsbilder" zeigen beispielhafte Visionen, und die Bilder, die sie dazu entwerfen, belegen verblüffend eindeutig, welche grundlegenden Veränderungen möglich sind. Eine fiktive Journalistin führt durch deutsche Städte, die allesamt grüner, bunter und lebendiger geworden sind, spricht mit Planern, Projektleitern und Wissenschaftlern über kurz- und langfristige Maßnahmen gegen den Klimawandel. Denn der ist längst da.
Essbare Landschaften
In Berlin gibt es im Jahr 2045 Radschnellstraßen und kühlende Springbrunnen, versiegelte Flächen sind aufgebrochen, jetzt wachsen dort Wildwiesen. Die renaturierte Spree ist durch riesige Schilfgürtel biologisch gereinigt, man nutzt Wassertaxis und Ruderboote. Entlang des Flusses wurden „essbare Landschaften" angelegt, hier gedeihen Obst und Gemüse, jeder darf anbauen und ernten, zahlreiche Wasserflächen in der Stadt kühlen die Umgebun zusätzlich.
„Wie ruhig Berlin geworden ist! Trotz der unzähligen Geschäfte und Cafés entlang der Hauptstraßen, trotz des wimmeligen Verkehrs auf den breiten Radschnellwegen. Weil kaum noch Autos fahren, hört man endlich wieder den Frühlingschor der Vögel."
Auf den Dächern sind Solar- und Windanlagen installiert oder die Menschen sitzen unter Sonnenschirmen in Gemeinschaftsgärten. Es gibt inzwischen ein Weltklimaparlament, das die globalen Prozesse der regenerativen Bewegung steuert und immer wieder Beispiele vorstellt, wie naturschützend und nachhaltig gelebt und gearbeitet werden kann.
Gemüse statt Fleisch
In der Region Berlin-Brandenburg sucht man in zwanzig Jahren vergeblich nach Raps-, Getreide- und Mais-Monokulturen. Die Landschaft ist abwechslungsreich geworden - Wiesen, Äcker, Hecken und Mischwälder. Aber die Menschen haben nicht nur ihre Umgebung verändert, auch bei der Ernährung hat ein Umdenken stattgefunden. Eine konventionelle Landwirtschaft gibt es nicht mehr:
Landwirte dürfen Tiere nur noch halten, wenn diese sich weitestgehend frei bewegen und hofeigenes Futter fressen können. Das alles hat die Tierzahlen massiv verringert und die Fleischpreise erhöht. Und für Pflanzenbau, Artenvielfalt und Wildnis blieb viel mehr Fläche übrig."
Weniger Fleisch bedeutet weniger Übergewicht, weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weniger Kosten für die medizinische Versorgung. Es gibt Gewächshäuser mit transparenten Solarzellen, im Pyrolyseverfahren werden organische Abfälle verkohlt, daraus entsteht Biogas, das Strom und Wärme liefert.
Schwammstadt Hamburg
Auf versiegelten Flächen kann Wasser nicht versickern, also wurden in Hamburg
„Betonwüsten entsiegelt, poröses Pflaster, Mulden und Gräben gebaut. Neue Feuchtgebiete verlangsamen den Ablauf von Regenwasser. Auf dem Vorplatz des Hamburger Michels ... hält ein unterirdischer Wasserspeicher gigantische Mengen Regenwasser für heiße Tage vor."
Die Leuphana Universität in Lüneburg ist ein Zentrum zukunftsweisender Ideen, dort gibt es bereits seit 2018 Utopie-Konferenzen, in denen darüber debattiert wird, wie man Städte angesichts des rasanten Klimawandels lebenswert erhalten kann. Und wir lernen eine Transformationsforscherin kennen, die als 18jährige zusammen mit Fridays for Future mit Protestplakaten ins Berliner Regierungsviertel zog, um auf künftige Gefahren aufmerksam zu machen.
Lösungen statt Utopien
Ob Bremerhaven, Düsseldorf, Köln, Ludwigsburg, Stuttgart, München oder Frankfurt – alle Städte haben bis 2045 besondere Lösungen für eine klimagerechte, kühlende Umgestaltung gefunden. Es sind "Erfahrungen", die in ganz Deutschland und vermutlich sogar weltweit Schule machen könnten: zukunftsorientierte Bildung, gemeinwohlorientierte Banken, Bürgerbeteiligung und Mitgestaltung in neuen Quartieren, regenerative Baustoffe, erneuerbare Energien, Bepflanzung von Hausfassaden, autofreie Zonen, verkehrsberuhigte Plätze mit Spiel- und Sportflächen und E-Velos. In Wien sorgt schon heute das 365-Euro-Jahresticket dafür, dass immer mehr Menschen ihr Auto stehenlassen. Eine klimagerechte Zukunft ist nicht nur möglich, sie hat bereits begonnen, Stadtverwaltungen und -planer überzeugt und vor allem Bürgerinnen und Bürger in den Betonwüsten großer Städte. Ein spannendes, ermutigendes und überaus inspirierendes Buch, das man am liebsten jeder PolitikerIn auf den Schreibtisch legen möchte, weil es zeigt, wie schnell und wirkungsvoll Städte umgebaut werden können. Denn die „Zukunftsbilder 2045" zeigen keine Utopien, sondern Lösungen.
(Christiane Schwalbe)
Stella Schaller, Lino Zeddies, Ute Scheub, Sebastian Vollmar
"Zukunftsbilder 2045"
Eine Reise in die Welt von morgen
Oekom Verlag 2023, 176 Seiten, 33 Euro
eBook 25,99 Euro
Zahlreiche QR Codes führen zur "Infothek für Realutopien" - weiterführende Informationen, Buch- und Filmtipps