"Nur raus hier"
Andree Kaiser (Herausgeber und Fotograf)
18 Geschichten von der Flucht aus der DDR
18 Geschichten gegen das Vergessen
Mindestens 455 Todesopfer hat die Mauer gefordert, 5.075 Fluchtversuche gelangen, 15.000 bewaffnete Kräfte waren täglich im Einsatz, um die innerdeutsche Grenze aus Mauer und Stacheldraht zu bewachen. Nüchterne Fakten stehen neben persönlichen Geschichten: In "Nur raus hier" erzählen 18 Männer und Frauen, wie sie es geschafft haben, aus der DDR zu fliehen.
Lichterkette
Die Mauer ist vor mehr als 25 Jahren gefallen, 2014 wurde mit einer Lichterkette symbolisiert, wie sie durch Berlin verlaufen ist. Vom "antifaschistischen Schutzwall" sind angesichts seiner einstigen Länge von 155 Kilometer rund um Westberlin nur ein paar dürftige Reste geblieben, die nicht einmal ansatzweise begreifbar machen können, wie das war, hinter der Mauer - mit Todesstreifen, Wachtürmen, Hundelaufanlagen, Stacheldraht und der zweiten hinteren Mauer.
Gewalt und Willkür
Es gibt also kein reales Mauerdenkmal, nur das kunstvolle Panometer von Yadegar Asisi am Checkpoint Charlie vermittelt einen Eindruck der geteilten Stadt. Insofern liefert das Buch nicht nur Fluchtgeschichten, sondern auch wichtige Erinnerungen, die mit den Jahren verblassen und verloren gehen. Nicht allen gelang die Republikflucht sofort, sie wurden erwischt, landeten im Knast, wurden gedemütigt und gequält, in Einzelhaft gesteckt, mussten Schikane, Gewalt und Willkür ertragen.
Sehnsucht nach Freiheit
In der Regel waren es Einflüsse aus dem Westen, die die Sehnsucht nach Freiheit unerträglich werden ließen, oder es war die Wut auf den Vater, der für die Stasi sogar seinen eigenen Sohn bespitzelte, auch der Zwang, Mitglied der SED zu werden, wenn man seinem Beruf nachgehen wollte: Motive, die den Entschluss reifen ließen, aus der DDR zu flüchten – über Zäune und Stacheldraht, in abenteuerlichen Umwegen über die Grenzen der Nachbarländer, mit dem Ballon über den Todesstreifen, schwimmend durch die Ostsee, mit einer Kugel im Rücken durch die Donau. Für die Freiheit haben sie alle ihr Leben riskiert.
Gegen das Vergessen
Unter den Autoren sind die Reiseschriftstellerin Carmen Rohrbach, der Dokumentarfilmer Andreas Kieling, der Komponist Michael Proksch, der Produzent Gerd Zimmermann und der mehrfach augezeichnete Fotograf Andree Kaiser, der auch die beeindruckenden Porträts und Fotos für dieses Buch gemacht hat – u.a. vom Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, in dem er selbst gesessen hat. Ihre Geschichten stehen beispielhaft für die vielen, die nie öffentlich erzählt werden. Es sind Geschichten gegen das Vergessen.
(Christiane Schwalbe)
"Nur raus hier" – Andree Kaiser, Herausgeber und Fotograf
18 Geschichten von der Flucht aus der DDR
18 Geschichten gegen das Vergessen
Ankerherz Verlag 2014, 214 Seiten, 29,99 Euro
eBook 14,99 Euro