Juliane Pickel
Rattensommer
"Rattensommer" erzählt die bewegende Geschichte von Lou und Sonny, zwei beste Freundinnen, deren Leben durch eine tragische Begebenheit für immer verändert wird.
Rachegefühle
Sonnys Mutter ist von einem Betrunkenen getötet worden, als sie einen Streit schlichten wollte. Der Täter, Hagen Bender, wird nach wenigen Jahren wegen guter Führung wieder entlassen. Nach seiner Freilassung entfernen sich Lou und Sonny voneinander, die beiden Mädchen wollten eigentlich nur gemeinsam entspannte Sommerferien verbringen, aber jetzt will Sonny vor allem eins: Rache. Sie findet in Tayo, einem Jungen, der für Bender arbeitet, einen willigen Komplizen. Lou hat darüber hinaus ihre eigenen Probleme, fühlt sich ihr Leben lang ungewollt, als Ersatz für ihre gleichnamige, tot geborene Schwester und ist auf der Suche nach einer eigenen Identität. Sie ist eifersüchtig und will ihre Freundin für sich allein haben. Schließlich ist da noch ein anderes verwirrendes Gefühl – Verliebtheit. Sie spürt, dass sie sich auch körperlich zu Sonny hingezogen fühlt:
„Und dann schließe ich die Augen, und Sonny schmeckt nach Rauch und nach jeder Menge Ärger, und ich schließe die Augen noch fester, und für eine Weile ist alles ein bisschen besser.“
Am Schluss wartet noch eine besondere Herausforderung auf die beiden Mädchen: Bender wird von Jugendlichen, die keinen Mörder im Ort dulden wollen, ins Wasser gestoßen. Aber er kann nicht schwimmen – Sonny und Lou müssen eine Entscheidung treffen.
Emotionale Tiefe
Die Figuren in "Rattensommer" sind authentisch und vielschichtig gezeichnet, junge Leser können sich gut in ihre Gedanken und Gefühle hineinversetzen. Lou, die Erzählerin, muss sich noch freischwimmen im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Sie hat Angst vor der dunklen Tiefe, dem Abgrund:
„Und plötzlich fühle ich mich wieder wie neulich am See. Sonny und Tayo sitzen da drüben, nur ein paar Meter von mir entfernt, aber zwischen uns ist eine riesige Wasserfläche. Und ich kann nicht schwimmen.“
Auch die düstere Stimmung nach den tragischen Ereignissen ist nachvollziehbar, man spürt den Druck, unter dem Lou und Sonny stehen, aber auch ihre Wut, Trauer und Verzweiflung.
Ein packender Jugendroman über Freundschaft in schweren Zeiten, der mit Spannung und emotionaler Tiefe überzeugt. Der Roman beleuchtet wichtige Themen wie Freundschaft, Gerechtigkeit und den Umgang mit Trauer und Verlust und zeigt die emotionalen Herausforderungen, mit denen die beiden Mädchen konfrontiert sind.
(Iris Knappe)
Juliane Pickel, *1971, arbeitet in der Online-Redaktion des NDR; 2017 wurde sie für ihre Kurzgeschichte "Freier Fall" mit dem Walter-Kempowski-Literatur-Förderpreis der Hamburger Autorenvereinigung ausgezeichnet. "Krummer Hund" ist ihr erster Roman. Für das Projekt erhielt sie 2018 den Förderpreis für Literatur der Stadt Hamburg und 2021 den Peter-Härtling-Preis.
Juliane Pickel „Rattensommer“
Beltz und Gelberg 2023, 256 Seiten, 16 Euro
eBook 14,99 Euro
Ab 14 Jahren