Cynan Jones
Alles, was ich am Strand gefunden habe
Homers Klage über "die Schreckens des Meeres und des Kriegs" (Odyssee V. Gesang) findet in Cynan Jones’ Roman einen aktuellen und sehr nachhaltigen Widerhall. Zwei Männer setzen ihre ganze Hoffnung auf das Meer.
Niemandsland
Der polnische Immigrant Grzegorz lässt sich als Drogenschmuggler anheuern, um das elende Leben seiner Familie zu verbessern, der stumpfsinnigen Arbeit im Schlachthof zu entkommen und das Niemandsland der illegalen Einwanderung zu verlassen. Im Schlauchboot und mit versagendem Kompass
"dachte er an seine Frau und seine beiden Söhne und an das neue Leben, das er mit den zehntausend Pfund beginnen konnte, die man ihm zahlen würde."
Keine Regeln
Der Fischer Hold findet die Drogen im Boot mit einer Leiche. Ein unerwarteter Reichtum könnte ihm helfen, die Frau seines toten Freundes und ihren Sohn zu unterstützen, doch er ahnt, wie verhängnisvoll sich der gefährliche Fund erweisen könnte. Die Wege des Immigranten und des verschuldeten Fischers werden auf leise und nachdenkliche Weise miteinander verknüpft und kreuzen sich schließlich mit der Szene der lokalen Drogendealer. Das Meer, das den Tod bringen kann, aber auch Reichtum und Freiheit, spielt dabei die entscheidende Rolle:
"Tja, dachte Hold, es gibt eben keine Regeln. Nur die Regel, dass das Meer einen immer wieder überrascht."
Bruchlandung
Ein hellsichtiger Roman, der die innere Welt seiner melancholischen Helden ebenso erschließt wie die wirtschaftliche Misere der verarmten walisischen Küste, nachdem der 'Keltische Tiger' mit seinem bejubelten Sprung eine Bruchlandung hingelegt hat. Und sich dem Meer anzuvertrauen, erscheint nach dieser Lektüre nicht unbedingt als die beste Wahl.
(Lore Kleinert)
Cynan Jones, *1975 in Wales, preisgekrönter Autor von Romanen und zahlreichen Erzählungen
Cynan Jones "Alles, was ich am Strand gefunden habe"
"Everything I found on the Beach" übersetzt von Peter Torberg
Roman, Liebeskind 2017, 240 Seiten, 20 Euro,
eBook 15,99 Euro