Charles den Tex
Repair Club
Geheimnisse eines Meisterspions
„Sie bilden ein unabhängiges Team, außerhalb des Dienstes, außerhalb von allem. Sie stützen sich auf seine Erfahrung und Kenntnis und auf sein Geld. Manche Fragen sind einfach, andere führen zu einer richtigen Mission. Und manchmal taucht jemand aus der Vergangenheit auf, um einen Fehler zu korrigieren.“
Unter Druck
Diese Vergangenheit ist Sache des Repair Clubs, angeführt vom ehemaligen Geheimdienstchef John Antink, der sich mit seinen drei ebenfalls pensionierten Mitarbeitern der Reparatur von Haushaltsgeräten oder Handys widmet, hinter dieser Kulisse jedoch lose Enden verknüpft, die seine Arbeit im Spionagegeschäft hinterließ. Als ein Russe mit einer alten Robotron-Schreibmaschine und einer Pistole auftaucht und ihn mit einem alten Decknamen anspricht, ahnt Antink, dass ihn die Achtziger Jahre, als er als Spion in Dresden in der Rolle eines Schweizer Finanzfachmanns operierte, einholen. Aber warum? Der Hinweis auf eine alte Akte führt ihn zurück in seine ehemalige Arbeitsstätte im Nachrichtendienst, doch dort will ihn seine Nachfolgerin Alisha Calder ebenfalls wieder zu Rate ziehen: Mittel des niederländischen Geheimdienstes sind, so steht es in der Presse, offenbar an terroristische Gruppen in Syrien weitergeleitet worden, und Calder gerät gewaltig unter Druck:
„Überall scheint sich das Chaos immer weiter zu verbreiten. Der Wahnsinn der zu regelnden Angelegenheiten und das zerstörerische Misstrauen machen mürbe. Vor allem das frisst an ihr, jeden Tag scheint es schlimmer zu werden, die Sicherheiten von gestern werden manchmal als die Bedrohungen von heute dargestellt.“
Schatten der Vergangenheit
Charles den Tex verknüpft die Spuren, die in Antinks Vergangenheit führen, elegant mit den Problemen, die sich in der veränderten Weltlage nach Ende des Kalten Krieges auftürmen. Dabei geht es keineswegs um eine schrullige Rentnertruppe à la „Donnerstagsmordclub“, die auf Abenteuer aus ist. Die Geheimnisse der Vergangenheit sind lebensgefährlich und berühren die Gegenwart, und das Alter der Akteure spielt kaum eine Rolle. Der Russe, der Antink kontaktierte, wird ermordet, und Antinks Ehefrau, die sein Leben seit vielen Jahren begleitet, verschwindet plötzlich. Er selbst hat sich den Schatten der Vergangenheit nie wirklich entzogen und einige seiner eigenen Abgründe tief vergraben.
„‘In mir pocht die Vergangenheit gleich einem zweiten Herzen.‘ Diesen Satz hat er einmal in einem Buch gelesen, und dabei hatte er das Gefühl gehabt, der Autor wende sich direkt an ihn…Dieser Satz ist zum Leitfaden seines Gedächtnisses geworden, er erinnert sich nicht einfach mehr einfach an ein Bild und eine Geschichte, es ist sein Leben, das in ihm lebt.“
Während Calder auf moderne Technologie und die Auskunftsbereitschaft der hereinströmenden Informationen setzt, weil sie ihr das Gefühl geben, alles im Griff zu haben, entwirft der Autor seinen Helden als einen Mann, der immer auf den Handel zwischen Menschen gesetzt hat und seine Stärke aus seiner Intuition und seinem allzeit wachen Misstrauen bezieht. Daraus lässt sich beträchtliche Spannung gewinnen, denn dass alle Antworten im Chaos der Vergangenheit noch vor dem Zerfall der Sowjetunion zu finden sind, ist bald offensichtlich.
„Der Geruch des alten Papiers kann in seinem Gedächtnis Erinnerungen wachrufen, die vor langer Zeit eingeschlummert sind, sein Gedächtnis fühlt sich manchmal an wie eine Verschwörung von Verbindungen, die irgendwo jenseits seines Bewusstseins arbeiten.“
Halbwahrheiten
Doch auch Antink ist angreifbar und mit einigen Fehlern seiner Vergangenheit keineswegs im Reinen. Charles den Tex zeigt, wie die alte und neue Welt der Arbeit der Geheimdienste aufeinander prallen und wo die Vorteile von Erfahrung auszumachen sind. Zugleich hinterfragt er, wie weit John Antinks Grundregeln tragfähig sind, wenn das eigene Leben auf Halbwahrheiten aufgebaut ist:
„Man muss warten können, man muss den Mund halten können, man darf nie übertreiben, und man muss lügen können.“
Wer sich zeitlebens hinter wechselnden Identitäten versteckte, zum „Gebäude aus unsichtbaren Backsteinen“ wurde, muss lernen, den Weg aus diesem Schutzbau herauszufinden, um der Wahrheit näher zu kommen. Diesen Weg mitzugehen, ist ein weiteres Abenteuer, zu dem dieser niederländische Spionagethriller der Extraklasse einlädt. Der russische Versuch, ein NATO-Land zu destabilisieren, indem man seinen Geheimdienst schwächt und die Leichtgläubigkeit des Westens, ist zudem ein lohnendes, hochaktuelles Thema, das den Tex in seinen Romanen um den „Repair Club“ gut recherchiert auslotet.
(Lore Kleinert)
Charles den Tex, *1952 in Australien, lebt seit 1958 in den Niederlanden, wo er zu den erfolgreichsten Autoren zählt.
Charles den Tex „Repair Club“
Geheimnisse eines Meisterspions
aus dem Niederländischen übersetzt von Simone Schroth
Thriller, HarperCollins 2024, 496 Seiten, 14 Euro
eBook 9,99 Euro