Christoph Peters
Diese wunderbare Bitterkeit
Leben mit Tee
Am Anfang des schön gebundenen Buchs mit den vielen Teeschalen auf dem Cover sieht man eine zierliche Zeichnung: ein Rasierpinselchen? Weit gefehlt, denn mit diesem kleinen Bambusbesen, dem Chasen, wird der japanische Grüntee geschlagen, bis er leuchtendgrün, schaumig und klümpchenfrei serviert werden kann.
Langer Weg
Der Weg dahin ist lang, denn nicht nur der richtige Tee muss erst einmal gefunden werden. Christoph Peters vertieft sich in die kulturhistorische Bedeutung und spirituelle Dimension der Teezeremonie Chanoyu, und zugleich erkundet er, wie der Tee wohlschmeckend wird, eine Kunst, die sich kaum in Lehrbüchern findet, sondern Schritt für Schritt erlernt werden muss. Ein langer Weg:
"Ganz gleich, welche der traditionellen japanischen Künste ich lernen wollte, ob Bogenschießen, Ikebana oder eben die Teezeremonie, es bedeutete zunächst und vor allem, dass ich meine individuellen Eigenarten vergessen und mich fraglos in die Überlieferungslinie des Meisters oder in diesem Fall der Meisterin einreihen musste…“
und da galt es, die Bewegungsabläufe zu studieren, die richtigen Gerätschaften auszuwählen, die vollständige Aufmerksamkeit auf jede einzelne Geste zu richten, denn die vom Zen geprägten großen Teemeister wussten:
"Jeder dieser Augenblicke ist einmalig und unwiederbringlich, eine Sache auf Leben und Tod."
Teekultur der Samurais
Um Achtsamkeit und Konzentration also kreist Christoph Peters‘ kluger Essay über den Tee, aber zugleich ist er sehr vergnüglich zu lesen, denn der Autor bringt seine "individuellen Eigenschaften" in seinem langen Weg zum meisterhaften Umgang mit dem Tee durchaus zur Sprache, indem er seine Erfahrungen mit dem, was er über den Tee lernte, verbindet. Das beginnt mit den Doppelkammerbeuteln und Teeeiern der frühen Jahre, den aromatisierten Früchtetees, den Tonkannen der Wohngemeinschaften, und Peters schildert begeistert die Entdeckungen, die er machte, inspiriert von der Teekultur der Samurais des 16. Jahrhunderts:
"Feinde saßen vor der Schlacht ein letztes Mal beim Tee zusammen, wichtige Bündnisse und Vereinbarungen wurden beim Tee getroffen",
und so bot der Tee auch in den Gesprächen unter den Jungs in Peters Internat immer Raum für Ruhe:
"Wollte man eine länger anhaltende Fehde beenden, lud man seinen Gegner zum Tee ein, kaufte Kekse oder Honigkuchen und wählte mit besonderer Sorgfalt den Tee aus, der für den Friedensschluss passend war."
Harmonie und Ruhe
Matthias Beckmanns zarte Zeichnungen lassen die Schönheit, Harmonie und Ruhe der mit Tee verbundenen Gegenstände und Verrichtungen nachempfinden, und Christoph Peters füllt die Räume der Ruhe mit vielen Geschichten, über Filme, die Qualität des Wassers, Trinkgefäße, Eroberungen. Er beschränkt sich nicht auf Japans hochartifizielle Teekultur, sondern zeichnet den Siegeszug des Tees rund um die Welt nach.
In China wurde mit der Kultivierung der Pflanze als Heil- und Genussmittel begonnen, und schon vor tausend Jahren wurden die besten Sorten in landesweiten Wettbewerben gekürt. In Ostfriesland hat jede Tasse Tee ihren eigenen Klang, denn das Knistern und Knacken des Kandiszuckers gehört dazu, ebenso wie die Sahne, die sich "wie eine Gewitterwolke in Miniaturform" ausbreitet und aus dem Teetrinken ein Gesamtkunstwerk macht. Ursprungsmythen und Geschmacksnuancen interessieren den Autor gleichermaßen, und so ist dieser kleine Band eine Fundgrube für alle, die dem Teegenuss ohnehin schon verfallen sind, ebenso wie eine Einladung für die, die ihn erst noch kennenlernen wollen.
(Lore Kleinert)
Christoph Peters "Diese wunderbare Bitterkeit"
Leben mit Tee
Arche Verlag, Zürich 2016, 144 Seiten, 15 Euro
eBook 11,99 Euro
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