Filiz Penzkofer
Alles im Grünen oder
Wie ich die Kette der Beschissenheit durchbrach
„Die chaîne de merde‘, flüstert Musti. Queen Tiger nickt. ,Die Kette der Beschissenheit!‘ Dann fährt sie fort: Vor einer Greisin steht eine Schlange ungeborener Kinder. … Sobald eine Kette fertig ist, hebt die Greisin den Arm und wirft dem nächsten in der Schlange den Halsschmuck um …“
WG vom Hermannplatz
Damit ist dann das Schicksal jedes Menschen durch den Zufall bestimmt. Rabea, Queen Tiger und Musti sind sich einig, dass sie ziemlich viel Beschissenheit abbekommen haben; sie leben in einer betreuten WG in Berlin und bilden eine unfreiwillige Schicksalsgemeinschaft. Rabea hat eine Angststörung und imitiert, wenn sie Panik bekommt, Vogelstimmen. Ihre beiden Mitbewohner meidet sie, so gut sie kann, weil sie in ihrer Anwesenheit ebenfalls Panikattacken bekommt. Queen Tiger bietet verschiedene okkulte Dienste im Internet an und Musti ist ein unbegleiteter Geflüchteter aus Syrien, der aufgrund seiner Kriegserlebnisse traumatisiert ist und vor allem durch seine kreative Verwendung deutscher Sprichwörter auffällt. „So ein Hamburg.“
Alles im Grünen?
Als Musti mal kurz zur Vermieterin hochgeht, um seinen Schuh zurückzuholen, den ihm ihr Mops gestohlen hat, liegt sie bewegungslos auf dem Boden. In Panik holt er die anderen, und sie überlegen, wie sie die vermeintlich tote Vermieterin beseitigen können, denn sie fürchten, dass der Verdacht sonst auf sie fallen würde. Schließlich wollte sie der WG kündigen. Queen Tiger versucht es mit verschiedenen Rückhol-Zaubereien, die jedoch alle gründlich schief gehen. Schließlich kommen sie aufgrund der vielen Spuren, die sie hinterlassen haben zu dem Schluss:
„,Wer um die Ecke gebracht wurde, muss beseitigt werden!‘ Musti sieht mich fragend an. ,Mir fehlen noch die letzten Seiten im Redensartenbuch.‘ ,Queen Tiger meint, dass wir die Leiche entsorgen müssen. Wegbringen! Verstecken!‘ Musti schüttelt den Kopf. ,Nicht einmal am Sankt Nimmerleinstag! Nicht, solange ich die Füße unter meinen Tisch halte! Nicht über meine Leiche! Wallah!‘“
Während sie also versuchen die Vermieterin loszuwerden, kommt es zu immer neuen abgefahrenen Situationen, die meistens irgendwo auf dem Friedhof oder im Krankenhaus enden.
Ungewöhnliche Freundschaft
Die Autorin erzählt auf witzige und sehr ausgefallene Weise eine Geschichte von Ängsten und Beklemmungen, die ein normales Leben nahezu unmöglich machen, und von einer Freundschaft zwischen sehr ungleichen Protagonisten. Die drei entwickeln viel Verständnis für die Probleme der jeweils anderen, weil sie selbst wissen, wie schwierig das Leben sein kann. Der Blick der Autorin auf diese buchstäblich irre Truppe ist stets liebevoll, und angesichts ihrer verrückten Ideen ist die Lektüre absolut unterhaltsam.
(Iris Knappe)
Filiz Penzkofer, *1985 in München, deutsch-türkische Autorin und Journalistin, Studium der Germanistik, Kommunikationswissenschaften und Turkologie in Bamberg und Ankara, war viele Jahre Radio-Kolumnistin im Bayerischen Rundfunk; sie lebt in Berlin.
Filiz Penzkofer "Alles im Grünen
oder Wie ich die Kette der Beschissenheit durchbrach“
Rowohlt Verlag 2024, 224 Seiten, 20 Euro
eBook 14,99 Euro
ab 14 Jahren