Tamara Štajner
Raupenfell
Beim Bachmann-Wettbewerb 2024 gewann Tamara Štajner den von den Kärntner Elektrizitätswerken gestifteten Kelag-Preis – Anerkennung für einen emotionalen und berührenden Text über eine traumatische Mutter-Tochter-Beziehung und die Unmöglichkeit, sich ihr zu entziehen. Die Jury war beeindruckt.
Colin Niel
Darwyne
„Vielleicht kommt das ein bisschen von ihr. Dass er so ist, wie er ist. Ein kleines Opossum. Ein Drecksvieh. Ein widerlicher dreckiger Makake.“ So sieht der zehnjährige Darwyne sich selbst, so beschimpft ihn seine Mutter Yolanda. Wie eine Göttin verehrt und bewundert er sie, doch sie ist eine strafende Göttin, die ihn quält, wenn er nicht lernt, nicht gehorcht, nicht so funktioniert, wie sie es für richtig hält.
Mathias Enard
Tanz des Verrats
„Mehr als fünfzig Jahre danach träume ich immer noch von Ettersberg. Finstere Träume voller Angst, Verfolgung, Hunger, Tod und Folter. In diesen Albträumen tauchen unbekannte Gesichter auf, die ich nicht wiedererkenne. Errichtet mein Unterbewusstsein sein eigenes Lager?“
Elizabeth Graver
„Kantika”
„Wer nicht lacht, gedeiht nicht”, heißt es im Hause Levy, und auch gesungen wird gern, vor allem Rebecca liebt es. Nach einer arrangierten und gänzlich missglückten Ehe hat Rebeccas Vater, ein sephardischer Unternehmer, die „richtige” Frau gefunden, eine nämlich, die Kinder bekommen kann, ihre Mutter.
Elke Heidenreich
„Altern”
Zwei knappe Seiten zum Auftakt, Überschrift: „Ich habe mein Leben komplett in den Sand gesetzt oder: Ich hatte ein unfassbar wunderbares Leben. So. Und nun suchen Sie sich aus diesen zwei Lebensversionen doch bitte eine aus.” Es kommt halt immer auf die Perspektive an, nur gut oder nur schlecht ist kaum ein Leben im Rückblick.
Katja Riemann
Zeit der Zäune - Orte der Flucht
„Überall waren die Zäune, vor denen sich Menschen wiederfanden. Zäune, die wie große Metallgebisse in der Landschaft stehen und Schönheit und Lebendigkeit verschlingen. Und manchmal die Menschen fressen. Ich habe sie beschrieben in einer Zeit, die in Bilderflut ertrinkt. Worte sind langsamer als Bilder ...."
Karen Köhler
Himmelwärts
„Hast du das gesehen! Hast du?! Nicht? Plötzlich rauschte diese gigantische Sternschnuppe über den Abendhimmel. Diese megagigantische Megagigaultra-Sternschnuppe. Die wunderschönste, beste, gigantischste, sternschnuppigste Sternschnuppe, die ich jemals gesehen habe. … Mir steht immer noch der Mund offen. Ein Zeichen! Von Mama! Ein Zeichen!“
Isabelle Autissier
Acqua Alta
Millionen Touristen kommen jedes Jahr nach Venedig, in die Stadt, die auf Holzpfählen im Lehm gebaut ist und langsam zu versinken droht, weil das Gleichgewicht zwischen Lagune und Meer empfindlich gestört ist. Acqua Alta, das winterliche Hochwasser, schwebt seit Jahrzehnten wie ein Damoklesschwert über der Stadt.
Filiz Penzkofer
Alles im Grünen oder
Wie ich die Kette der Beschissenheit durchbrach
„,Die chaîne de merde‘, flüstert Musti. Queen Tiger nickt. ,Die Kette der Beschissenheit!‘ Dann fährt sie fort: Vor einer Greisin steht eine Schlange ungeborener Kinder. … Sobald eine Kette fertig ist, hebt die Greisin den Arm und wirft dem nächsten in der Schlange den Halsschmuck um …“